Heute vor 65 Jahren: Der Hirschauer Gemeinderat benennt den Lämmleweg

4 Feb von Gunter Neubauer

Heute vor 65 Jahren: Der Hirschauer Gemeinderat benennt den Lämmleweg

Am 4. Februar 1959, einem Mittwoch vierzehn Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, fassten der Bürgermeister und die zehn Gemeinderäte der damals noch unabhängigen Gemeinde Hirschau in öffentlicher Sitzung Beschlüsse zur „Neubezeichnung von Wegen“.

Der Stichweg im Neubaugebiet Bonde erhält die Bezeichnung „Lämmleweg“ und der Feldweg Nr. 52 „Hölderlinstraße“.

Was die elf Hirschauer bewogen hat, mit August Lämmle den Propagandisten eines schwäbischen Nationalsozialismus zu ehren, lässt sich heute schwer nachvollziehen. Ihn in einem Atemzug neben den freiheitsliebenden und menschenfreundlichen Friedrich Hölderlin zu stellen ist jedenfalls eine schwere Beleidigung für diesen wirklich großen Dichter.

Interessant wäre es zu erfahren, wer diejenigen waren, die so beschlossen haben. Wo waren, wo standen sie zwischen 1933 und 1945 und warum fiel ihnen nichts Besseres ein, als vierzehn Jahre später gerade August Lämmle mit einem Straßennamen zu ehren? Hatte damals niemand Bedenken und gab es gar keinen Widerspruch? Und wie war es überhaupt im Nationalsozialismus in Hirschau?

Während die Ortschaftsräte der Grünen Liste für eine Umbenennung plädiert hatten, sprach sich die Mehrheit des Ortschaftsrats am 12. Dezember 2023 für eine Beibehaltung des Namens „Lämmleweg“ samt Kommentierung durch einen „Knoten“ aus.

In der letzten Sitzung des Ortschaftsrats wurde von einer eventuellen Umbenennung des Wegs abgesehen und beschlossen, mit einem „Erinnerungsknoten“ samt Hinweistafel auf die aus heutiger Sicht wegen Verstrickungen mit der Nazi-Vergangenheit kritisch zu sehenden Benennung nach dem Heimatdichter August Lämmle hinzuweisen.

Außerdem wurde angeregt, den verbleibenden Lämmleweg auch in Zukunft als Aufforderung zur kritischen Auseinandersetzung und Erinnerung zu verstehen. Wir schlagen vor, dies in Hirschau jährlich am 4. Februar mit Erinnerungsimpulsen, Aktionen oder öffentlichen Veranstaltungen zu tun. Und wollen einen Anfang machen, indem wir hier an einige Zitate von August Lämmle erinnern:

‚Heil Hitler!‘ heißt unser Gruß. Was meinen wir damit? Es ist unser Gebet zu Gott und unsere Bitte, daß Er ihm Heil und Segen gebe zu seinem Werk.“  – Schwäbische Post (?), o.J.

„Es hat darum der nationalsozialistische Staat klar und fest die ganz primitive Forderung der Entwicklung alles geist – seelischen Lebens im deutschen Volke auf Blut und Boden gestellt und er hat die Pflege bäuerlichen Brauchtums gefordert.“ – Brauch und Sitte im Bauerntum, 1935

„Dienst am Volkstum ist der Sinn der Hitlerjugend und der Kameradschaft in der SA, ist in seiner zielbewußten Durchdenkung und Durchführung der Arierparagraph und die Beseitigung der Fremdstämmigen aus der Führung des deutschen Volkes und Staates.“ – Zeitschrift „Württemberg“. Schwäbische Monatshefte im Dienste von Volk und Heimat, 1937

„Was ich dem Volke, dem deutschen, wünsche für künftige Tage? | Dass ihm der Führer verbleib‘ und ihn der Herrgott beschütz‘!“ – Zeitschrift „Württemberg“. Schwäbische Monatshefte im Dienste von Volk und Heimat, 1938

„Glücklich preis ich den Staat, dem gütige Götter gegeben, | Führer und Volk aus dem ewig-einzigen Brunnen des Bluts.“ – Huldigung für Wilhelm Murr, NSDAP-Gauleiter in Württemberg, zum 50. Geburtstag im Dezember 1938

„Und da Gott den Mutigen hilft, gab er uns den Führer, den gläubigsten und mutigsten Mann in der Geschichte der Deutschen.“ – Vorwort zur Neuauflage seines Buchs „Herz der Heimat“, 1940

„Das Hauptpotential der deutschen Kraft und Leistung steckt im Glauben an sich selbst, an das deutsche Volk und die deutsche Kultur und an seinen Führer Adolf Hitler.“ – Schwäbische Post, 1943

Zum Weiterlesen: Zwischen Heimatromantik und Nazi-Ideologie – Die kontroverse Person des August Lämmle. Ein Beitrag von Frieder Matthies auf dem Blog des Instituts für Geschichtsdidaktik und Public History der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Veranstaltungshinweis: Bericht „Stolpersteine, die Erinnerung in den Alltag holen.“ Donnerstag 6.2.2024 um 19.30 Uhr im Ratsstüble / Dorfkneipe

WEHRET DEN ANFÄNGEN!

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