August Lämmle, Dichter
August Lämmle
* 1876 † 1962 Tübingen
Dichter
Mit diesen dürren Angaben ergänzt ein ziemlich verblichenes, erklärendes Zusatzschild das Hirschauer Straßenschild im „Lämmleweg“ – und verdeutlicht, dass es hier nicht etwa um ein kleines Schaf geht. Als Mundartdichter war August Lämmle nämlich alles andere als ein friedfertiges Lämmchen. Vielmehr verhielt er sich und schrieb in der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur unkritisch und systemkonform, sondern vielmehr unterstützend und glorifizierend, und er bewegte sich dabei im Kontext einer Blut-und-Boden-Ideologie. Hitler galt ihm als Gottesgeschenk und als der „mutigste Mann in der Geschichte der Deutschen“, er lobte den antisemitischen und antiziganistischen „Arierparagraphen“ im Berufsbeamtengesetz von 1933, mit dem „Nicht-Arier“ aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen wurden, usw. usf. Lämmle profilierte sich so als der „Propagandist eines schwäbischen Nationalsozialismus“ (Benigna Schönhagen). Über eine spätere Distanzierung ist nichts bekannt.
August Lämmle, Dichter, verherrlichte den Nationalsozialismus
…so könnte man das o.g. Schild mit Fug und Recht ergänzen. Am 1. Mai 1933 wurde Lämmle Mitglied der NSDAP. Er gehörte der Reichsschrifttumskammer und der Reichskulturkammer an und bemühte sich, allerdings vergeblich, um ein Parteiamt. 1934 wurde er Mitglied im Landesvorstand des völkisch-antisemitisch ausgerichteten „Kampfbund für Deutsche Kultur“. Zahlreiche seiner Texte bejubeln Hitler, das NS-Regime und dessen Repräsentanten – z.B. den SS-Obergruppenführer, Reichsstatthalter und NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr in einem Huldigungsgedicht Ende 1938. Dieser setzte ihn dann 1939 als Vorsitzender im „Bund für Heimatschutz in Württemberg und Hohenzollern“ durch, dem heutigen Schwäbischen Heimatbund. Auf Grund seiner NS-Verstrickung wurde Lämmle 1947 als „Mitläufer“ eingestuft und zu einem relativ hohen „Sühnegeld“ von 2.000 Reichsmark verurteilt. (Ein Kilo Brot kostete damals etwa 40 Pfennige.) Allerdings hatte die Spruchkammer dabei keine Gesamtübersicht und damit kaum Kenntnis der vielen heute bekannten Texte, in denen Lämmle den Nationalsozialismus verherrlicht hatte, nicht zuletzt auch in Zeitungen und Zeitschriften.
Die Stadtverwaltung hat im Ausschuss für Kultur, Bildung und Soziales am 17. September eine kritische Prüfung der Tübinger Straßennamen empfohlen. In der Sitzung des Ortschaftsrats am 22. September hat die Grüne Liste Hirschau vorgeschlagen, den Lämmleweg in das Prüfverfahren aufzunehmen.
- NDB-Kurzbiografie, Wikipedia-Personenartikel
- LKZ-Artikel zur Ludwigsburger Ausstellung „Die Heimatdichter und das Dritte Reich“ (2019)
- Vorträge zu Lämmle der KZ-Gedenkstätteninitiative Leonberg (2019) und an der vhs Leonberg (2005)
- Benigna Schönhagen: “… ein treuer und gewissenhafter Diener und Helfer …” (Der Schwäbische Heimatbund in der NS-Zeit) In: Schwäbische Heimat 2/2009
- Landesarchiv Baden-Württemberg / Stephan Molitor (Hg.): Der Schwäbische Dichterkreis von 1938 und seine Entnazifizierung. Stuttgart (Kohlhammer) 2019