Party oder Politik?
Zum 60-jährigen Jubiläum der Partnerschaft zwischen Hirschau und Kingersheim
Eine Partnerschaft wie die zwischen Hirschau und Kingersheim über viele Jahr lebendig zu erhalten, ist gar nicht so leicht. Schließlich reisen Menschen heute gerne dorthin, wo sie wollen, und folgen nicht einfach einer vor vielen Jahrzehnten „von oben“ verordneten und organisierten Völkerverständigung. So wird immer wieder gefragt, ob solche Partnerschaften überhaupt noch zeitgemäß sind.
Der Beginn unserer Partnerschaft im Jahr 1963 liegt in einer Zeit, in der es den Beteiligten vor allem um Völkerverständigung und eine Aussöhnung nach den beiden Weltkriegen ging. Im gleichen Jahr wurde der Elysée-Vertrag geschlossen. Als Freundschaftsvertrag ist er das grundlegende und bis heute gültige Abkommen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit in vielen Politikbereichen – von der Außen- und Sicherheits- bis zur Jugend- und Kulturpolitik. Der deutsch-französische „Motor“ hatte dann auch großen Anteil daran, dass schon 1993 die Europäische Union gegründet werden konnte.
Doch was ist für heute wichtig, was sind Perspektiven für die Zukunft? Auf Basis dessen, was an Begegnung, Verständnis und Partnerschaft entstanden ist, sind heute andere Prioritäten zu setzen. Bei seiner Ansprache am 22. Juli in Hirschau sprach Kingersheims Bürgermeister Laurent Riche davon, dass es bei einer deutsch-französischen Partnerschaft heute auch um die Verteidigung gemeinsamer Werte geht, um eine offene und plurale Gesellschaft und um die Demokratie.
In schwierigen Zeiten suchen viele nach einfachen Lösungen, und das Projekt Europa verliert nicht nur an Zustimmung, sondern ist zunehmend in Gefahr – gerade auch durch reaktionäre Kräfte, in Deutschland wie in Frankreich. Hier sind Demokratinnen und Demokraten gefordert!
Es geht aber auch darum, jüngere Generationen zu erreichen, für die eine europaweit freiheitliche Ordnung, das freie Reisen ohne Grenzkontrollen, die Gewerbefreiheit oder eine gemeinsame Währung wie selbstverständlich erscheinen.
Für das Neue gibt es viele Möglichkeiten. So folgt die mehrheitliche Ausrichtung des Kingersheimer Gemeinderats mit der Liste „Kingersheim, une ville qui rassemble“ (Kingersheim, eine Stadt die vereint) den Leitlinien „Nachhaltigkeit und Ökologie“ sowie „Demokratie und Gerechtigkeit“ – beides Themen, die auch für Hirschau und insgesamt für Tübingen wichtig sind.
In Kingersheim organisiert ein interkommunaler Klimaplan zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der kommunalen Ressourcen. So fand beim Besuch der Kingersheimer in Hirschau neben vielen anderen Programmpunkten der naturkundliche Spitzberg-Spaziergang „Natur und Genuss“ („Nature et Plaisir“) eine positive Resonanz.
Umgekehrt wiederum interessiert uns ganz besonders, wie in Kingersheim seit nunmehr 20 Jahren ein Ansatz der Partizipatorischen Demokratie praktiziert wird. Dabei gelingt es, die Bevölkerung in die für ihre Kommune wichtigen Entscheidungen aktiv einzubeziehen.
In diesem Sinn halten wir fest: Es geht ums Feiern und um die Auseinandersetzung. Bekenntnisse oder eine rückwärtsgewandte Traditionspflege reichen nicht mehr aus.
Barbara Göger, Grüne Liste Hirschau
zuerst veröffentlicht auf hirschau-aktuell.de